Glioblastom – Therapiemöglichkeiten bei der Erstdiagnose

In dieser Podcast-Folge wird Professor Vajkoczy, ein Neurochirurg, von dem Moderator Dr. med. Robert Armbrust, einem Gynäkologen, als Gast begrüßt. Sie sprechen über Hirntumore, insbesondere das Glioblastom, und erste Behandlungsmöglichkeiten. Professor Vajkoczy gibt Einblicke in die Seltenheit von Hirntumoren im Vergleich zu anderen Krebsarten und in die verschiedenen Arten von Hirntumoren, wobei er sie nach Grad und molekularen Merkmalen kategorisiert.

Sie erörtern die Häufigkeit von Hirntumoren in verschiedenen Altersgruppen und wie die oft neurologischen Symptome zur Diagnose führen und nicht die Routineuntersuchungen. Sie betonen, wie wichtig eine frühzeitige Bildgebung mittels MRT ist, um potenzielle Hirntumore zu erkennen.

Der Podcast befasst sich mit dem chirurgischen Aspekt der Behandlung von Glioblastomen. Professor Vajkoczy erläutert die sorgfältige Planung solcher Operationen, die eine präoperative Diagnostik, einschließlich funktioneller Bildgebung, zur Identifizierung kritischer Hirnareale einschließt. Er beschreibt detailliert, wie diese Bereiche umfahren werden, um den Schaden bei der Tumorentfernung zu minimieren. Die Diskussion berührt auch den Einsatz der Hirnchirurgie im Wachzustand, wenn dies notwendig ist, um lebenswichtige Funktionen wie die Sprache zu schützen.

Abschließend werden die schwierigen Entscheidungen erörtert, vor denen Patienten und Ärzte stehen, wenn sie zwischen der Tumorentfernung und dem Erhalt der neurologischen Funktionen abwägen müssen. Professor Vajkoczy betont, dass individuelle Gespräche und Entscheidungen für den Erhalt der Lebensqualität des Patienten entscheidend sind.Der Podcast unterstreicht, wie wichtig es für Hirntumorpatienten ist, sich in zertifizierten Tumorzentren mit multidisziplinären Teams und fortschrittlichen Diagnosetechniken behandeln zu lassen.

Referenten:

Prof. Dr. Peter Vajkoczy (Direktor der Klinik für Neurochirurgie mit Arbeitsbereich Pädiatrische Neurochirurgie (CVK) CVK: Campus Virchow-Klinikum)

Dr. med. Robert Armbrust (Oberarzt, Klinik für Gynäkologie mit Zentrum für onkologische Chirurgie, Charité Berlin)

Erfahren Sie in dieser zweiten Folge unserer neuen Staffel wichtiges über das Thema Hirntumore.

Diese Folge des Krebspodcast wird unterstützt durch Novocure GmbH. Novocure ist jedoch nicht für den Inhalt des Vortrags verantwortlich. Thema und Inhalt obliegen der wissenschaftlichen Freiheit der Referenten.

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Speaker 1 [00:00:04] Ja, liebe Zuhörerinnen, liebe Zuhörer, ich freue mich heute sehr, einen Gast begrüßen zu dürfen. Professor Vajkoczy. Sie kennen mich ja sonst als Gynäkologen. Ich habe heute mit einem Neurochirurgen zu tun. Sie sind Chefarzt, beziehungsweise Ordinarius an der Klinik für Neurochirurgie, an der Charite. Ist das richtig?

Speaker 2 [00:00:20] Das ist völlig richtig. Aber zuerst einmal herzlichen Dank, dass ich da sein darf. Freut mich sehr, dass ich wieder mit dem gynäkologischen Team hier ein Projekt gemeinsam machen darf. Wir haben ja vieles schon hinter uns gebracht und sind auch in der Klinik Seite an Seite. Und deswegen freue ich mich doppelt, dass wir hier sein dürfen und sonst ist es alles gut. Ich bin Neurochirurg hier an der Charite und leite den Bereich.

Speaker 1 [00:00:39] Wie lange sind Sie schon an der Charite?

Speaker 2 [00:00:41] Seit 2007.

Speaker 1 [00:00:43] Und für die Zuhörer:innen glaube ich, darf ich? Darf ich ruhig erwähnen, Sie Sind einer der jüngsten und ich glaube sogar der jüngste Ordinarius.

Speaker 2 [00:00:48] Mittlerweile ja leider nicht mehr. Aber damals, als ich den Ruf bekommen habe, war ich für die Verhältnisse der Neurochirurgie relativ jung, 38 und mit 39 habe ich angefangen

Speaker 1 [00:00:57] Okay, sehr schön. Ja, unser Thema sind heute Hirntumoren. Damit kennen Sie sich ja bestens aus. Und insbesondere das Glioblastom und die Therapiemöglichkeiten bei der Erstdiagnose. Für mich als Gynäkologen, ich muss ehrlicherweise zugeben, ich weiß wenig aus meinem Studium über Hirntumore und vielleicht können sie mich und die Hörer mal abholen. Wie häufig ist ein Hirntumor überhaupt? Gutartige, bösartige. Also ein paar Zahlen.

Speaker 2 [00:01:22] Na ja, gut. Also Hirntumore gehören immer zu den seltenen Erkrankungen im Vergleich zu eurem Gebiet mit Brust und im Vergleich zu Lunge ist das eine seltene Erkrankung. Immer wenn man über Neurotumore spricht, fällt man so ein bisschen hinten runter. Dann gibt es natürlich die gutartigen und es gibt die bösartigen. Und die, die uns jetzt glaube ich, interessieren, sind die primären Hirntumore, die, die im Gehirn entstehen, aus den Stützzellen, aus den Gliazellen, aus den Astrozyten. Und das sind dann die Astrozytome, die werden eingeteilt von Grad 1 bis Grad 4 nach der WHO Klassifikation. Hat sich mittlerweile auch gewandelt, weil es mittlerweile nicht mehr nur nach Morphologie geht, sondern immer mehr auch nach molekularbiologischen Ergebnissen, nach dem Sequenzierungsergebnis. Also da gibt es zum Beispiel den IDH Status, ob IDH Wildtyp oder IDH mutiert und daraus können wir ableiten, wie aggressiv die Tumoren sind. Aber klassisch ist es so, dass Grad 1 und Grad 2, also Grad 1 tritt bei Kindern auf, sind die pilozytischen Astrozytome, Grad  2 sind die klassischerweise niedrig malignen oder wenig aggressiven Astrozytome und bei Grad 3 und Grad 4 erkennen wir dann zunehmend die Zeichen der Malignität und es sind auch Tumore, die dann in der Therapie auch sehr herausfordernd sind und sehr aggressiv sind. Und das Glioblastom Grad 4 oder der IDH Wildtyp Tumor, das sind diejenigen, die aggressiv wachsen. Das sind die meisten, mit denen wir es zu tun haben. Und es sind die meisten, die auch in den Studien untersucht worden sind.

Speaker 1 [00:02:49] Okay, und zur Häufigkeit. Wie hoch ist das Risiko? Ist das ein Tumor von älteren Menschen? Kann das die ganze Lebensspanne auftreten? Wie hoch ist so das Risiko?

Speaker 2 [00:02:56] Na ja, der Grad 1, der pilozytische, der ist natürlich bei Kindern vorwiegend bis 18 Jahren. Astrozytome 2 bis 4 betreffen auch die jüngeren Patienten, also 30, 40, 50 Jahre sind auch betroffen. Ist keine Krankheit oder kein Tumor des alten Menschen, sondern wir haben auch Patienten, die mit 30, 40 Jahren erkranken, die dann natürlich voll im Leben stehen. Und mit einem Gehirntumor wird man ja häufig auch aus seinem normalen Leben herausgerissen, weil Funktionen ausfallen und weil man dann in seinem möglichen Umfeld nicht mehr richtig funktioniert.

Speaker 1 [00:03:27] Sie haben es grade schon angesprochen der Funktionsausfall denke ich mal ist so ein häufiges Symptom, der ja auch relativ eindrücklich sein kann. Jetzt gibt es beim Brustkrebs eine Vorsorgeuntersuchung Gebärmutterhalskrebs, Darmkrebs, Prostatakrebs. Gibt es denn so was bei malignen, also bösartigen Hirntumoren auch? Oder treten die tatsächlich häufig eben genau durch solche Symptome auf, die ja ganz unterschiedlich ausfallen können? Wie im Gang, Unsicherheit zum Beispiel, denke ich mir, oder Gedächtnisstörungen oder solche Dinge.

Speaker 2 [00:03:55] Weil es eben seltene Tumore sind, gibt es keine Vorsorgeuntersuchung und man hat auch nicht so eine genaue Vorstellung, wann man Patienten und Patientinnen screenen sollte. Deswegen treten die, wie Sie richtig sagen, primär durch neurologische Ausfälle oder durch Epilepsien auf. Häufig ist die erste Verdachtsdiagnose Schlaganfall. Man kann eine Lähmung haben, im Arm, im Bein, man kann Probleme haben zu sprechen oder aber man hat immer einen epileptischen Anfall. Und ein epileptischer Anfall im Erwachsenenalter sollte eigentlich immer so ein bisschen auch den Verdacht erwecken, dass es sich um einen, um einen Hirntumor handeln könnte.

Speaker 1 [00:04:26] Was wären denn in so einem Fall die nächsten Schritte? Also angenommen, jemand bemerkt so was an sich und ist sich irgendwie unsicher. Ich glaub es sind ja auch Symptome, die nicht unbedingt immer so schwer auftreten, sondern manchmal glaube ich auch einfach mal da sind, dann wieder weg sind. Also nicht im Sinne einer Epilepsie, aber vielleicht leichte, leichte neurologische Ausfälle. Wie sollte so der im Idealfall der weitere Weg sein? Wo sollte man hingehen?

Speaker 2 [00:04:47] Das stimmt, dass manche Patienten sich erst mit leichten Symptomen präsentieren. Häufig werden auch nur von den Angehörigen diese Veränderungen beschrieben, wenn es sich um neurokognitive Veränderungen, Konzentrationsverlust oder Antriebsminderung handelt. Manchmal sind es leichte Wortfindungsstörungen, wobei aber unsere Zuhörerinnen und Zuhörer jetzt nicht gleich Panik bekommen müssen, wenn ihnen mal ein Wort nicht einfällt. Das ist ganz normal. Bottom line ist, dass diese Symptome nicht wie bei einem Schlaganfall und in voller Ausprägung plötzlich auftreten, sondern dass sie häufig schleichend auftreten. Und wenn man den Verdacht hat, dass irgendwas nicht stimmt, dann würde man ein MRT machen, als erstes. Das MRT wird dann mit und erstmal ohne Kontrastmittel gefahren. Und in der Regel, wenn die Radiologen dann Veränderungen sehen, wird Kontrastmittel gegeben und dann kann man anhand des Kontrastmittel Verhaltens und anhand des Wachstums dieser Tumore häufig auch schon sagen, um was es sich so mit größter Wahrscheinlichkeit handeln könnte.

Speaker 1 [00:05:39] Okay, und wie ist dann der Weg zu Ihnen in die Klinik?

Speaker 2 [00:05:43] In der Regel erfolgt die Diagnostik über die Kolleginnen und Kollegen in der Niederlassung. Man war vielleicht beim Hausarzt oder bei einem Neurologen oder bei einer Neurologin. Die hat dann die Bilder veranlasst. Oder aber es gibt die, die ein bisschen schwerere Symptome hatten, die plötzlichere Symptome hatten, vielleicht auch direkt in die Rettungsstelle gekommen sind und dann dort erst mal ein Bild bekommen haben, Vielleicht sogar ein CT als erste Screening Maßnahme in so einer Notfallsituation. Und dann hat man dort die Veränderung vermutet und macht dann MRT. Aber der gängige Weg ist Patienten werden zugewiesen, kommen entweder zu uns in die Sprechstunde oder aber werden direkt in die Rettungsstelle dann zugewiesen, weil es ja auch Tumore sind, wo man nicht gerne längere Wartezeiten in Kauf nehmen möchte.

Speaker 1 [00:06:24] Bei uns in der Gynäkologie ist es oft so, dass 3 bis 6 Monate vergehen, bis jemand die Diagnose stellt vom ersten Symptom. Das scheint in jedem Fall nicht der Idealweg zu sein.

Speaker 2 [00:06:32] Ne also wenn, wenn es Symptome gibt, dann geht es in der Regel relativ rasch. Der Bottle Neck ist natürlich die Bildgebung, die muss man möglichst rasch bekommen. Und weil das manchmal ein Problem sein kann, landen Patienten dann relativ rasch in der Klinik.

Speaker 1 [00:06:45] Im Falle der Diagnose eines Glioblastoms geht es natürlich um die Therapie. Und Sie sind Neurochirurg. Das heißt, Sie operieren viel und gerne, nehme ich an? Ich würde gerne versuchen, das wirklich, das wir das mal ganz, ist ja als Mediziner oft nicht so leicht plastisch darzustellen, wie eine Operation funktioniert, wie man sich das vorstellen kann und was es auch für verschiedene Techniken gibt. Können Sie das versuchen? Also so, so plastisch und verständlich wie möglich darzustellen. Wie wird ein Glioblastom operiert?

Speaker 2 [00:07:12] Na ja, als Die Neurochirurgen bewegen sich im Gehirn und das Gehirn, das weiß jeder, ist voll mit Funktionen. Wir verstehen nicht, wo die überall lokalisiert sind. Aber wir stehen, wo die Motorik ist, wir verstehen, wo die Sprache ist. Wir verstehen, wie das Sehen genau funktioniert. Wir haben eine grobe Vorstellung, wie Gedächtnis funktioniert. Auf jeden Fall beginnt die Operation eigentlich 1 bis 2 Tage vor der Operation, in dem man sich darüber Gedanken machen muss, wie die Beziehung dieses Tumors oder diese Veränderung zu den Funktionsarealen ist. Unter der Vorstellung, dass man dann bei der Operation diese Funktionen eben erhalten oder schonen möchte. Es bringt einem nichts, wenn man den Tumor möglichst radikal operiert hat, aber am Ende hat man gravierende Funktionsverluste. Und wir wissen heute, dass Lebensqualität ein sehr hohes Gut ist. Und deswegen ist es das primäre Ziel der Neurochirurgie, nicht nur den Tumor zu entfernen, sondern eben auch die Lebensqualität zu erhalten. Und das zeichnet, glaube ich, die Neurochirurgie so ein bisschen aus. Beginnt die Aufarbeitung des Falls und die intellektuelle Auseinandersetzung mit der Operation schon 1 bis 2 Tage vorher? Die Informationen bekommt man aus einer aus einer Bildgebung, die verschiedene Techniken umfasst. Wir haben über das normale MRT gesprochen. Es wird ergänzt durch ein MRT, was man dann für die Navigation nutzen kann. Wir bewegen uns durch das Gehirn bei der Operation mit einem Navigationssystem, ähnlich wie im Auto. Aber wir müssen dieses Navigationssystem mit Informationen füttern. Dazu ist einmal das anatomische, das ist das normale MRT und dann kommen die Funktionen. Also wird der nächste Schritt sein zu verstehen, wo sind die verschiedenen Funktionsareale in Beziehung zum Tumor? Denn man muss sich einen Tumor so vorstellen, dass der Tumor, der wächst zwar nicht wie eine Kugel, sondern der wächst auch diffus infiltriert, aber der solide Anteil des Tumors führt mit seiner Schwellung zu einer Verdrängung der Funktionsbereiche. Wir können also nicht mehr ganz nach der Anatomie gehen. Wir wissen nicht mehr genau, wo sind die bestimmten Funktionsareale, die wir schon wollen. Deswegen gibt es die funktionelle Bildgebung. Das ist zum Beispiel ein MRT, was uns zeigt, wo die Fasertrakte, also die Bahnen verlaufen. Man muss sich die Gehirnfunktionen so vorstellen, dass wir im Gehirn, im Bereich der Oberfläche Zentren haben und ich vergleiche das mal immer gerne mit einem Telefon. Diese Zentren sind dann verbunden mit Kabeln, mit Bahnen. Und diese Bahnen oder diese Kabel sind dann die Fasertrakte. Das sind also die Fortsätze der Nervenzellen.

Speaker 1 [00:09:40] Und das kann das MRT Ihnen bildlich darstellen.

Speaker 2 [00:09:43] Das kann das MRT uns bildlich darstellen. Und das Problem ist aber, dass wir eine sehr undifferenzierte Fülle an allen Bahnen bekommen. Das liegt daran, dass man im MRT die Ausrichtung der Moleküle misst, der Wassermoleküle misst. Und die richten sich an diesen Bahnen aus. Und man kann alle Bahnen sehen, die von vorne nach hinten, von oben nach unten und vielleicht auch um die Kurve laufen. Das ist erst mal ein sehr, ein sehr buntes Bild ist. Und wir verwenden dann verschiedene KI-Algorithmen oder digitale Methoden, um aus diesem bunten Blumenstrauß an Bahnen die Bahnen rauszupicken, die uns interessieren und die für diese Funktion, die von Interesse ist, zu untersuchen. Dann gibt es auch ein Verfahren, das heißt die Transkranielle Magnetstimulation. Das ist ein Verfahren, wo die Patientin dann eine Spule auf den Kopf bekommt, eine Magnetspule und durch den intakten Schädel einfach nur durch Magnet Impulse kann man bestimmte Nervenzellgruppen, Nervenzellpopulationen an der Oberfläche stimulieren. Das ist zum Beispiel bei Motorik und bei Sprache sehr hilfreich. Und so eine Stimulation bedeutet entweder, dass man eine Funktion auslöst, wenn man die Nervenzellen stimuliert, oder aber man versucht, bestimmte Nervenzellen kurzfristig lahmzulegen. Zum Beispiel bei der Sprache, um dann zu sehen, ob bestimmte Sprachfunktionen ausfallen und wie ich mich jetzt hier gerade winde und gerade, gerade versuche das zu erklären, wird schon klar, dass das eine relativ aufwendige Aktion ist, diese ganzen Untersuchungen durchzuführen. Im Ende legt man eine Landkarte der Gehirnoberfläche an und man versucht damit.

Speaker 1 [00:11:21] Das machen Sie alles vor der Operation.

Speaker 2 [00:11:22] Das machen wir alles vor der Operation und man versucht damit sogenannte Eintrittspunkte zu identifizieren wo man ins Gehirn reingehen kann, ohne die Funktion zu stören. Und das sind also jetzt ziemlich viele Untersuchungen, die ich gerade so aufgezählt habe, die wir vor der Operation machen, so dass die Operation eigentlich nicht im OP-Saal beginnt, sondern in der Vorbereitung beginnt.

Speaker 1 [00:11:44] Und wie oft kommt es vor, dass Sie sagen, die Lage ist so, dass eben an diesem Wahn, dass man es nur mit ausgeprägten Funktionsverlust operieren kann.

Speaker 2 [00:11:52] Ja, sehr gute Frage, denn wenn wir nach klassischen anatomischen Verhältnissen gehen, dann waren ungefähr 20 bis 30 % der Tumore in der Vergangenheit noch vor 10, 15 Jahren wurden mal so in der Breite als inoperabel eingestuft. Weil man gesagt hat, wenn man das operiert, dann ist der Funktionsausfall nicht so akzeptabel. Mit dieser verfeinerten Diagnostik können wir jetzt das Reduzieren auf nur noch 5 bis 10 %, wo man wirklich sagt, das geht jetzt nicht, das zu operieren ist jetzt zu risikoreich. Aber viele Tumore, zum Beispiel in der Zentralregierung, also dort, wo Motorik lokalisiert ist, können heute erfolgreich operiert werden. Manchmal weiß man es aber auch erst in der Operation. Das heißt, man geht auch in die Operation nicht so rein, dass man jetzt mal da zwei Zentimeter vorne, zwei Zentimeter nach hinten rausnimmt, sondern man arbeitet sich nahe an diese Grenze heran, an die man gehen möchte oder gehen kann.

Speaker 1 [00:12:46] Und spielt da der, der Resektion auch eine Rolle? Sie gehen dann bis daran, dann sagen Sie , der Tumor, wenn ich den dort da entferne, ist es mit ausreichend Sicherheit entfernt.

Speaker 2 [00:12:54] Genau. Also das sind auch, jetzt kommen wir zur Operation. Was passiert im Operationssaal? Also, unsere ganzen Untersuchungen im Vorfeld haben jetzt erlaubt, dass wir einen Plan aufstellen. Und im Gegensatz zu vielen anderen Disziplinen, die dann die Patientin oder den Patienten einfach auf den Rücken legen und mal aufmachen und gucken, ist bei uns die Strategie die Grundlage für die Lagerung. Der Kopf wird dann in verschiedenen, auf Bauch, Seitenlage, Kopf zu 10 grad 20 grad 30 grad zur Seite gelegt. Wir suchen also einen Weg, ähnlich wie in einem Wald, wo wir so ein Pfeil dann durch, versuchen wir einen Pfeil durch die ganzen Bäume an den Bäumen vorbei zu schießen und nicht irgendwo anzustoßen. Und so müssen wir den Kopf drehen, dass wir in der ideale Dreieck toll finden. Das ist die Lagerung, deswegen ist die Lagerung in er Neurochirurgie wahnsinnig wichtig. Und dann ist das nächste unterschiedliche Therapie Konzept, dass man eben nicht, En bloc oder in einem Stück oder mal Primäres Ziel, im Gesunden zu residieren. Das ist nicht der Fall. Bei uns ist der Fall so, dass wir in den Tumor reingehen, den Tumor aushöhlen und uns dann an den Rand, an den Resektionsrand vorarbeiten. Die Hirntumore, über die wir sprechen, wachsen auch nicht glatt abgegrenzt, sondern die wachsen diffus. Die haben so ähnlich wie ein Baum mit seinen Wurzeln. Die Wurzeln wachsen in die Erde und man wird keine klare Abgrenzung finden von dem Baum in der Erde zur Erde hin, sodass man dann schrittweise an diese Grenzen herangeht und schaut, wie nah man oder wie weit man jenseits dieser Grenze gehen kann. Und da spielt eben auch erneut wieder die Diagnostik jetzt im Operationssaal eine Rolle. Wir haben verschiedene Techniken, um den Rand zu identifizieren und zu sehen, wann wir sehr nahe an die Funktion kommen, an diese Trakte. Das machen wir mit, einmal mit einer Fluoreszenzmarkierung des Tumors, die erlaubt es uns zu sehen. Wo sind noch Tumorzellen? Wo ist der Tumor Rand? Und die Funktion identifizieren wir, indem wir mit Elektroden arbeiten, meistens mit einem Sauger, der ständig Stromimpulse abgibt. Und das Gehirn funktioniert mit Strom. Und jedes Mal, wenn wir den Strom Impuls abgeben und in der Nähe von einem wichtigen Bereich sind, können wir eben Funktion auslösen. Und wenn wir eben sehr nah an die Bahn oder an das Zentrum kommen, und das wissen wir über die Stromstärke, die wir brauchen, bis es zur Auslösung eines solchen Impulses kommt, wissen wir, dass wir hier aufhören müssen.

Speaker 1 [00:15:16] Wie lange gibt es diese Art von Operation schon? Es klingt ja technisch sehr ausgefeilt und auch auf entsprechender Ingenieurskunst höchsten Niveau.

Speaker 2 [00:15:24] Also wir sagen immer, dass die Neurochirurgie zu den digitalisierten operativen Fächern gehört, weil wir diese ganzen Informationen dann eben im Operationssaal sammeln, zusammenbringen und teilweise diese Informationen auch ins Mikroskop, wir operieren im Mikroskop, kriegen wir das eingespielt, auch augmentierter Realität zum Beispiel. Es ist also ein Setup, ein digitalisiertes Setup, den wir so seit etwa 5 bis 10 Jahren jetzt in dieser Ausprägung haben. Aber es ist natürlich eine Geschichte, die sich in kontinuierlicher Verbesserung und Entwicklung befindet. So wie wir heute operieren, operieren wir seit etwa 5 bis 10 Jahren.

Speaker 1 [00:15:58] Jetzt hat man, liest man ab und zu mal von Operationen, wo die Patienten wach sind. Kommt ja manchmal im Fernsehen. In den News hat jemand Geige gespielt oder gesungen. Während der Operation Ist es auch eine Methode, um diese Funktion sicher zu messen oder ist es eher so ein bisschen unwissenschaftlich? Klingt jetzt für mich erst mal ein bisschen weniger als das, was sie vorher erklärt haben.

Speaker 2 [00:16:18] Ist mega, mega, mega wissenschaftlich und auch mega wichtig. Es ist der Goldstandard für Operationen, wenn man in der Nähe der Sprache operiert.

Speaker 1 [00:16:24] Okay.

Speaker 2 [00:16:26] Denn super präzise auf den Millimetergenau sind die Methoden, die ich gerade beschrieben habe, auch nicht. Man ist so im Bereich von 2 bis 3 Millimetern, aber wenn ein Tumor wirklich innerhalb der Sprache sitzt, und das hat man mit den Methoden, die man vorher angewandt hat, vorselektioniert. Da hat man die hohen Risikopatienten rausgesucht. Dann wird man so eine Operation, mitunter wach in der Wach Situation operieren. Und das ist die höchste Kunst. Da ist dann so ein ganzes Team dabei, das ist nicht nur der Operateur, der Anästhesist dabei, sondern dann ist auch ein Neuropsychologe im OP-Saal, dann ist ein Elektro Physiologe, der diese ganzen Messungen macht, dann ist ein Logopäde im Operationssaal, der die ganze Sprachtestung macht. Und das Konzept ist, der Patient ist entweder von Beginn an wach. Oder die Patientin wacht dann während der Operation auf. Der Schädel ist geöffnet, das Hirn liegt vor einem. Das Gehirn selber spürt keinen Schmerz. Deswegen wird der Patient oder die Patientin in dem Moment auch keinen Schmerz spüren, wenn man das Gehirn vor sich hat und dann manipuliert am Gehirn. Und dann werden so bestimmte Bereiche erneut mit einer Elektrode stimuliert. Die Elektrode legt die entsprechende Funktion lahm. Und wenn man dann die Sprache testet, man lässt nachsprechen, man lässt Sätze zu Ende sprechen, man lässt bestimmte Objekte benennen und dann kann man eben bestimmte Sprachfunktionen testen. Und es geht erneut darum, eine Landkarte über die Sprache zu haben und sich den Eintrittspunkt, den Korridor darzustellen, über den man an den Tumor kommt.

Speaker 1 [00:18:00] Jetzt haben Sie ja anfangs gesagt, das ist ja schon ein aggressiver Tumor. Das erinnert mich direkt ans Ovarialkarzinom, an den Eierstockkrebs, da ist es so unsere Operationen sind ja sehr radikal und wir nehmen zum Teil deutliche Funktionsverluste und Organverluste in Kauf. Und wenn ich das jetzt vergleiche mit dem Verlust neurologischer Funktionen, stellt sich mir die Frage Was ist man, was ist man bereit aufzugeben? Führen Sie diese Diskussion mit Ihren Patienten?

Speaker 2 [00:18:25] Diese Diskussion führen wir, führen wir ständig. Nicht unbedingt in der primär Resektion, aber wenn es dann zum Tumor Rezidiv kommt und man dann in den Bereich kommt, wo die Standardtherapie nicht mehr so richtig in rauen Mengen verfügbar sind, dann diskutiert man, dann wird es sehr individuell, weil jeder Patient eine  unterschiedliche Vorstellung hat von dem, was er in Kauf nehmen würde oder nicht in Kauf nehmen würde. Ich bin mir auch nicht hundertprozentig sicher, was für ein Unterschied es zum Ovarialkarzinom macht, hinsichtlich der Lebenserwartung. Aber man muss auch fairerweise sagen, dass es bei einem hoch malignen Tumor im Gehirn kein Gewinn nicht unbedingt ein garantierter Gewinn von mehreren Jahren ist, wenn man so eine Funktion in sonst Funktionsverlust in Kauf nimmt. Deswegen geht es dann auch um die Diskussion. Wenn man jetzt ein Jahr gewinnt, ist man bereit, einen ausgeprägten Funktionsverlust wie den Verlust der Sprache. Oder darauf angewiesen sein, gepflegt zu werden, weil man eine Seite nicht mehr bewegen kann, also zum Pflegefall zu werden? Nimmt man das in Kauf für ein Jahr oder für ein halbes Jahr oder nimmt man es nicht in Kauf?

Speaker 1 [00:19:25] Wie ist da Ihre Erfahrung? Wie, wie entscheiden sich die meisten Patienten?

Speaker 2 [00:19:29] Ich glaube die meisten Patienten gehen nach der Lebensqualität. Das sind Menschen, die aus dem Leben gerissen sind, die für ihre Familien gesorgt haben, für ihre Familien da waren, die anspruchsvolle Jobs vielleicht gehabt haben. Der eine ist auf seine Sprache angewiesen, der andere ist auf seine Motorik sehr viel angewiesen. Aber im Endeffekt sind es sehr differenzierte Gespräche, die häufig zu dem Ergebnis kommen, dass man sehr viel riskiert, dass man akzeptiert, mit dem Rücken an der Wand zu stehen, aber dass die Lebensqualität an vorderster Front steht. Aber es gibt auch Fälle, die sagen Ich möchte noch ein gewisses Ereignis in meinem Leben oder in der Familie erleben die Einschulung, das Abitur, die Heirat. Und dafür nimmt man dann gegebenenfalls auch Funktionsausfälle in Kauf. Aber das tut uns natürlich als Neurochirurgen immer extrem weh, wenn wir uns gegen die Funktion entscheiden müssen und danach das dann eben auch durchstehen müssen gemeinsam. Und das ist auch immer Teil unserer Philosophie, dass wir niemanden nach einer solchen Operation alleine lassen, sondern das dann auch gemeinsam durchstehen und gemeinsam ausbaden.

Speaker 1 [00:20:32] Vielen Dank für diese Ausführung. Das war ja wirklich sehr beeindruckend, auf welchem Niveau die Neurochirurgie hier aktuell ist. Wie finden Patienten ein Zentrum, was, wo sie ruhigen Gewissens sagen könnten Das wird so behandelt und operiert, wie sie sich das wünschen würden. Das ist bei uns, also in unserem Fach ehrlicherweise eine schwierige Diskussion, weil es viele Krebs Zentren gibt, viele gynäkologische Krebs Zentren und viele Experten, selbsternannte Experten überall und der Weg tatsächlich nicht unbedingt immer leicht ist. Für uns zumindest. Wie ist es bei Ihnen? Was empfehlen Sie unseren Patienten?

Speaker 2 [00:21:06] Ja, die Neurochirurgie ist ein kleines Fach. Die Community kennt sich und deswegen sind wir per se schon einmal zentralisierter, als es vielleicht in der Gynäkologie der Fall ist. Es gibt Neurochirurgie an den großen Zentren, an großen, nicht akademischen Krankenhäusern. Aber es ist nicht so, dass man um jede Ecke eine Neurochirurgie findet. Und Onkologie wird immer ein Schwerpunkt sein. Und ich glaube, der beste Weg ist, sich an den onkologischen Zentren, an den zertifizierten onkologischen Zentren zu orientieren. Sehr viel ist ja nicht nur die Operation, sondern ist sie Interdisziplinarität mit den strahlentherapeutischen Kollegen, mit den onkologischen Kolleginnen mit dem… Man braucht eine ausgefeilte Bildgebung und man braucht natürlich auch ein interdisziplinäres Tumor Zentrum, weil solche Fälle natürlich auch besprochen werden. Die Neuropathologie spielt eine große Rolle mit ihrer ausgefeilten Diagnostik. Die Sachen müssen sequenziert werden, Methylierungsanalysen müssen durchgeführt werden. Das gibt es jetzt schon mal nicht an allen Zentren. Da ist es so, dass es auch Zentren gibt, wo operiert wird, aber dann diese Diagnostik nicht durchgeführt werden kann. Aber die sind auch gut vernetzt. Ich glaube, dass wir das in der Neuroszene gut, gut im Griff haben. Und ich würde immer empfehlen an solche. Zertifizierten Tumor Zentren zu gehen. Es ist ein großer methodischer Aufwand, den wir betreiben, der auch nicht immer kostengünstig ist. Das nächste ist, ich würde dazu raten, mich vorher zu informieren und zu gucken, dass diese ganzen Technologien vor Ort sind.

Speaker 1 [00:22:34] Vielen Dank. Das klingt ja eigentlich ganz, ganz gut. Das heißt, der Zugang zu der richtigen Therapie scheint zumindest oft gegeben zu sein.

Speaker 2 [00:22:41] Und dann gibt es noch die Hirntumorhilfe zum Beispiel und andere Patientenorganisationen, die einen auch beraten können. Schwierig ist es dann, wenn Patienten und Patientinnen als Notfälle in die Klinik kommen und dann nicht mehr die Zeit haben, diese Informationen einzuholen. Da auch mein Appell: Die paar Tage hat man immer um sich zu informieren.

Speaker 1 [00:23:04] Das denke ich auch. Das Einholen einer Zweitmeinung sollte eigentlich sollte eigentlich STANDARD sein. Das ist bei uns wie gesagt aber auch ein großer Punkt. In anderen Ländern habe ich gelernt, da fliegen manche Leute sieben Stunden für eine Zweitmeinung über ne Knie OP oder Knie Spiegelung. Und bei solchen schweren Erkrankungen tut man sich da wie in Deutschland manchmal schwer. Und die paar Tage oder die Zeit hat man eigentlich, eigentlich meistens. Vielen Dank erst mal für diese Ausführung. Jetzt würde ich gerne zum Schluss nochmal auf Sie persönlich zu sprechen kommen. Was war Ihre eigene Motivation, in die Neurochirurgie zu gehen?

Speaker 2 [00:23:34] Ich habe den Entschluss, Neurochirurg zu werden, erst sehr spät gefasst. Wenn ich das sage, sind Leute immer enttäuscht, weil sie immer glauben, dass Menschen, die diesen Job machen, das irgendwie schon von früher Kindheit an gewusst haben müssten. Bei mir war es anders. Ich wollte einfach nur etwas Operatives machen, was ich mit Forschung verbinden kann. Ich wollte zunächst Transplantationschirurgie machen, habe dann aber Spaß an der Neurologie gefunden oder an den Neurowissenschaften, musste aber feststellen, dass man im konservativen Bereich nicht so vielen Handlungsspielraum therapeutisch hat, oder? Ich habe dann gesehen, was für tolle Möglichkeiten es in der Neurochirurgie gibt, habe mich aber auch für anderes interessiert und bin dann eigentlich in die Neurochirurgie nur gekommen, weil ich einen ganz tollen Chef gefunden habe, meinen Mentor Professor Schmieding aus Mannheim Und da ich bis zuletzt unsicher war, was ich machen sollte, habe ich dann im Endeffekt die Entscheidung für die Neurochirurgie im Endeffekt durch ihn getroffen oder durch seine Person eben getroffen. Und es hat sich als gute Entscheidung herauskristallisiert. Und als ich dann drinnen war, war ich so begeistert, dass ich dann selbst eine endogene Motivation entwickelt habe.

Speaker 1 [00:24:42] Schön. Das ist eigentlich der ideale Weg.

Speaker 2 [00:24:43] Der ideale Weg. Und ich glaube, es zeigt, dass für jeden, der Großes vorhat und spannende Dinge machen möchte, die Leute, mit denen er den gemeinsamen Weg geht, meistens viel wichtiger sind als das Fachliche.

Speaker 1 [00:24:54] Das stimmt, das kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen. Vielen Dank Professor Vajkoczy für das Gespräch.

Speaker 2 [00:24:59] Sehr gern gemacht. Vielen Dank!

Speaker 1 [00:25:08] Dieser Podcast wurde mit der Unterstützung der Novocure GmbH erstellt.